Nordseesommer by Lüpkes Sandra

Autor:Lüpkes, Sandra
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-12-31T00:00:00+00:00

Fraukes sechster Tag

K

aum zu glauben: Sie saßen alle zusammen auf der Terrasse und frühstückten. Kenos Augen waren zwar noch vom Schlaf verklebt, und Henning hatte direkt eine zweite Kanne Kaffee aufgesetzt, aber sie waren alle halbwegs wach und begannen ihren letzten gemeinsamen Ferientag im Piratennest.

Der Streit von vorgestern war vergeben und vergessen – die Suche nach Clara hatte die Prioritäten wieder etwas zurechtgerückt. Doch noch immer konnte man nicht von wahrer Harmonie sprechen. Das wäre ja auch zu viel verlangt, dachte Frauke. Schließlich hatte nur ein dummer Zufall sie auf Zeit zusammengeführt, da konnte man keine Familienidylle erwarten.

Trotzdem gab es da etwas, was Frauke noch schwer im Magen lag.

«Es … es tut mir leid, dass ich beim Grillen so überreagiert habe», begann sie. «Aber ich habe mich einfach überrumpelt gefühlt. Diese fremden Leute in der Wohnung … Grillpartys sind einfach nicht mein Ding.» Sie schaute in die Runde. Keiner sah aus, als sei er noch ernsthaft daran interessiert, ihr den Kopf abzureißen. «Und unsere Nachbarn waren eigentlich ja auch ganz nett, fand ich. Halten die mich jetzt für eine hysterische Zicke?»

Keno lächelte etwas gequält. «Könnte sein.»

«Wie seid ihr eigentlich auf die Idee gekommen, sie einzuladen?»

Henning und Keno warfen sich einen kurzen Blick zu.

Wurde ihr Sohn etwa rot? Mit einem Mal kapierte Frauke, was los war. «Etwa wegen dieses jungen Mädchens? Wie war noch mal ihr Name?»

«Lena.» Keno war das Thema sichtlich unangenehm.

Meine Güte, dachte Frauke, wie ein Trampeltier war sie durch Kenos erstes Rendezvous gelatscht! «Ach so, von ihr wusste ich ja gar nichts», nuschelte sie verlegen.

«Wie denn auch? Du bist ja den ganzen Tag unterwegs, machst immer Stress, obwohl wir eigentlich Urlaub haben.»

Selbst wenn Frauke die Kritik ihres Sohnes nicht gefiel, so war es schon bemerkenswert, dass er überhaupt mal den Mund aufmachte, um mit ihr zu diskutieren. «Tja, und mir gefällt es nicht, wie du deine Zeit totschlägst, wenn draußen die Sonne scheint und …»

«Mama!»

«Ich meine ja nur, heute ist der letzte Tag bei meinem Naturschutzprojekt. Du könntest dich doch zur Abwechslung aufraffen und mitkommen.»

Keno überlegte. «Okay, aber nur, wenn du dann mal ein bisschen chillst!»

Henning musste lachen. «Der Vorschlag ist doch gar nicht so schlecht, Frauke. Du und Clara, ihr legt euch hier heute auf die faule Haut, während Keno und ich diese Sandzäune bauen. Einen Tag spielen wir verkehrte Welt!»

Clara war vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen. «Das will ich sehen, Papa mit dem Spaten in der Hand!» Sie johlte bei der Vorstellung.

«Aber wenn schon, dann richtig.» Frauke wollte jetzt Nägel mit Köpfen machen. «Dann musst du auch joggen gehen und Keno Tröpfelburgen bauen.»

Alle lachten, und ihre Ideen wurden immer ausgefeilter. «Frauke schreibt Papas Roman zu Ende», schlug Clara vor, «und trinkt dabei mindestens ein Bier.»

«Ja, wenn du dafür nur noch Sätze mit maximal drei Wörtern von dir gibst.» Henning grinste zufrieden.

Der letzte Urlaubstag sollte also alles auf den Kopf stellen. Frauke war sicher, dabei einen guten Tausch gemacht zu haben. Denn was konnte einfacher sein als das süße Nichtstun?

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